You want Kilims, but I do Films

Kunst und Kultur in der Türkei

„Wir erleben aktuell eine Auszeit der Demokratie in der Türkei. Dieser Zustand betrifft alle Gesellschaftsschichten, spaltet aber auch die heterogene, in Deutschland lebende türkische Community. Mit der Reihe You want Kilims, but I do Films erklären wir uns solidarisch mit den türkischen Künstlerinnen und Künstlern“

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland werden einer einzigartigen Belastungsprobe ausgesetzt

Am 7. November 2016 haben die Mitglieder der Akademie der Künste während der Herbstversammlung beschlossen, sich im Zusammenschluss mit anderen Kulturinstitutionen, anlässlich der aktuellen Entwicklungen und jüngsten Verhaftungen in der Türkei, in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin Angela Merkel zu wenden. Die Unterzeichner erklärten geschlossen ihre Solidarität gegenüber Kulturschaffenden, Verfolgten und Inhaftierten. „In einer beispiellosen Verhaftungswelle von bekannten JournalistInnen, AutorInnen, WissenschaftlerInnen und Oppositionellen in der Türkei werden die Menschenrechte und die Demokratie fundamental angegriffen. Die gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland, die für die Zukunft beider Länder von großer Bedeutung sind, werden einer einzigartigen Belastungsprobe ausgesetzt. So wird die beidseitige kulturelle und gesellschaftliche Aufbauarbeit von Jahrzehnten in wenigen Monaten zerstört.“

Die Geschichte der Verbindungen zwischen Deutschland und der Türkei reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück.

Die deutsch-türkischen Beziehungen im europäischen Kontext waren jedoch stets von unterschiedlichen Voraussetzungen und Motivationen geprägt: Rivalitäten, religiöse Auseinandersetzungen sowie gegenläufiges Machtstreben einerseits, ein enges kulturelles, militärisches, gesellschaftliches Verhältnis andererseits begleiteten die historischen Ereignisse der letzten 800 Jahre. Als 1898 in Beirut der osmanische Uhrturm vor dem Grand Serail von 1853 (al-Sarāy al-Kabir) errichtet wurde, beschreibt Eran Schaerf, wurde er mit vier Uhren ausgestattet: Zwei zeigten die osmanische Zeit an, zwei die europäische. Wenig später, im Jahr 1926, erklärte die junge türkische Republik per Gesetz die alte osmanische Zeit für verboten. Kurz davor, als die zwei Zeitsysteme wie zwei Identitäten diskutiert wurden, schrieb der türkische Dichter irakischer Herkunft Ahmet Hashim:

„Jetzt stehen wir spät auf … wie Nomaden, die ihren Weg in der Wüste verloren haben, sind wir in der Zeit verloren.“

 

 

 

Kazim Öz „Once Upon A Time“, 2014, Filmstill

Einen anderen Blick offerieren Bernd Nicolais Studien über das Architekten-Exil in der Türkei 1933–1945. In dieser Zeit nahm die Türkei in Deutschland Verfolgte auf und entwickelte sich so zu einem der wichtigsten Länder der Wissenschaftsemigration: eine Emigration, die ihrerseits in der gesellschaftlichen Modernisierung unter Präsident Atatürk einbezogen war und dazu beitrug, das Bildungswesen des Landes aufzubauen.

Diesen kulturellen Austausch vor Augen, initiierten Mitglieder der Sektion Bildende Kunst die spartenübergreifende Reihe You want Kilims, but I do Films, betitelt nach einem Zitat des kurdischstämmigen Regisseurs Atif Yilmaz (1925–2006). Yilmaz kommentierte mit seinem Titel vor allem die westlichen Erwartungen an Kulturschaffende aus dem Osten. Kilims und Filme, Tradition und Moderne, Minderheiten und Nationalismus kennzeichnen die nach wie vor in der Türkei agierenden Kräfte, so Eran Schaerf und Ayşe Erkmen. Was bedeutet unter den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Konditionen in der Türkei eine freie Meinungsäußerung für KünstlerInnen, JournalistenInnen, WissenschaftlerInnen und Kulturschaffende?

Kazim Öz „Once Upon A Time“, 2014, Filmstill

Die Veranstaltungsreihe wurde im Januar mit einem Vortrag von Bernd Nicolai zum Thema „In Oriente Lux – Architekten-Exil in der Türkei 1933-1945“, eröffnet. Es folgten eine Werkvorstellung mit dem Komponisten und Klangforscher Turgut Erçetin, die Vorführung des Films “Tepenin Ardı – Beyond the Hill“, TR/GR 2012, 94 Min., von Emin Alper und ein Künstlergespräch mit Ahmet Öğüt über „The Silent University and School of Urgency“.

Mehr davon:

Sonntag, 11. Juni , 19 Uhr

Kathrin Röggla und Banu Karaca  / Vortrag und Gespräch
Banu Karaca, Kultur- und Sozialanthropologin, referiert über die Zensur in den Künsten in der Türkei.
Begrüßung und Gespräch: Kathrin Röggla

Adresse:
Akademie der Künste
Pariser Platz 4
10117 Berlin

Eintritt frei
Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.

Dienstag, 4. Juli, 19 Uhr

Dil Leyla von Aslı Özarslan / Film und Gespräch
D/TR 2016, 71 Min., OmeU / OV/EnS
Aslı Özarslans Dokumentarfilm Dil Leyla berichtet von Leyla, die in Bremen aufwuchs, in die Kurdenhochburg Cizre zurückkehrt und mit 26 Jahren Bürgermeisterin wird, bis ihre Verhaftung alle Pläne zerschlägt.

Adresse:
Hanseatenweg 10
10557 Berlin

Tickets € 6/4
Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt. In Kooperation mit taz.gazete

Arnold Dreyblatt, Ayşe Erkmen, Marcel Odenbach, Ulrike Rosenbach, Eran Schaerf, Hubertus von Amelunxen, Dorothee von Windheim – die Initiatoren. Weitere Veranstaltungen der Reihe sind in Planung.