„Kind, es ist Zeit. Heirate!“

Aus der Serie "Şeyda erklärt"

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Disney inszeniert einen seiner bekanntesten Liebesfilme neu: „Die Schöne und das Biest“ kommt im März 2017 in die Kinos – diesmal nicht als Zeichentrickfilm. Obwohl das Biest die Schöne gefangen hält, verliebt sie sich trotz seiner harten Schale in ihn, befreit ihn von einem Fluch und sie heiraten. Ende gut, alles gut. So ungefähr sieht bei fast allen Disney-Filmen das Ende der Lovestorys aus. Im wahren Leben ist es mit Liebe und Heirat schon ein bisschen komplizierter – vor allem, wenn man einerseits in einer traditionell türkischen Familie aufgewachsen ist und andererseits in Deutschland lebt.

Es ist immer die gleiche Situation. Meine „anne“ (Mutter) fragt mich vorsichtig: „Kind, es ist Zeit. Möchtest du nicht irgendwann heiraten?“ Meine Reaktion ist für gewöhnlich: „Kader, kɪsmet.“ Das bedeutet „Schicksal“. Somit entgehe ich den neugierigen Fragen meiner Mutter über mein Privatleben und warum ich bis jetzt nicht bereit war, zu heiraten. Während ich versuche eine Antwort zu finden, arbeiten in meinem Kopf die Zellen wie umkippende Dominosteine. Ich habe eine Kriterienliste, deren Bestandteile ich abwäge: Er muss groß und intelligent sein, klare Ziele im Leben haben sowie einen „Out oft the Box“-Charakter besitzen, d.h. ein gewöhnlicher 08/15-Mann kommt nicht in Frage.

Mehr und mehr merke ich, wie sehr Disney meine Vorstellungen von Liebe beeinflusst hat. Selbstverständlich gibt es weitere mediale Einflüsse, aber Disney-Filme sind schon die Grundbausteine für meine Vorstellung von Liebe und Heirat. Einen Prinzen, der dem Fräulein das Herz flattern lässt, es auf Händen trägt und sich ein Leben ohne die Begehrte nicht mehr vorstellen kann – eher selten in unserer Zeit. Ich wünsche es mir aber trotzdem.

Wenn es nach meiner Mutter ginge, dann wäre der künftige Bräutigam ein Türke aus Berlin. Seine Familie sollte am besten auch aus Eskişehir stammen. Er sollte Arzt, Ingenieur oder Anwalt sein, politisch laizistisch orientiert und Moslem, am liebsten sogar Sunnit. Schubladenvorstellungen, die eigentlich so gar nicht mit meinem Weltbild zusammen passen.

Und trotzdem habe auch ich Vorstellungen – ziemlich genaue sogar:

So ungefähr sollte er aussehen

Ein Deutsch-Türke aus Berlin?

Wäre ja perfekt. Wir beide wären Teil einer Gastarbeiterfamilie, beide hier geboren und aufgewachsen, hätten also beide einen deutsch-türkischen Hintergrund. Für mich gibt es zwei Kategorien solcher deutsch-türkischen Männer: Die einen, die sich wie eine Klette an der türkischen Tradition festklammern und die anderen, die davon gar nichts mehr wissen. Beides gefällt mir nicht. Ist es denn wirklich so schwer, ein Gleichgewicht zwischen „Deutsch“ und „Türkisch“ zu finden?

Ein Deutscher?

Für mich funktioniert das nicht. Ich kenne aber glücklicherweise viele Fälle, in denen eine Deutsch-Türkische-Beziehung wunderbar klappt. Was mich persönlich dabei nervt, ist die Tatsache, dass ich ständig etwas erklären muss. Weshalb dies oder jenes in der türkischen Kultur so oder so funktioniert. Und wenn der Deutsche ansatzweise Kritik äußert oder kein Verständnis zeigt, bin ich schnell auf 180.

Ein Türke aus der Türkei?

Oh nein, bitte nicht mehr. Die Türken aus der Türkei ticken wirklich anders. Nach mehreren Versuchen, Männer zu „Deutsch-Türkisieren“ , verwende ich meine Energie lieber für etwas Anderes. Dafür, dass ich in Berlin geboren, aufgewachsen und sozialisiert worden bin, ist mein Türkisch sehr gut. Diverse Kommentare zu meiner Aussprache, meiner Syntaxbildung und meiner Wortwahl gingen mir einfach auf die Nerven. Für eine dauerhafte Beziehung ist das keine gute Basis.

Citizen of the world – Ein Weltmann?

Ein Mann, der bereits viel herum gekommen ist, keine Vorurteile hat, respektvoll jede Kultur, Tradition und Religion behandelt. Warum nicht? In meinem Freundeskreis funktionieren diese Beziehungen sehr gut. Solange man offen für Neues ist und dem Gegenüber mit Respekt, Verständnis und Akzeptanz begegnet, sehe ich hier keine Grenzen.

Ich merke: Nationalität hin oder her, die Lebenseinstellungen sind mir wichtig. Will der Mann, dass ich nicht mehr arbeite? Dann bin ich weg. Will der Mann meinen Charakter ändern, dann ebenso. Hat der Mann ganz andere politische Einstellungen als ich? Geht auch nicht.

Es ist mir egal, ob ER ein Prinz ist, und ob er auf einem Pferd daher geritten kommt. Wichtig ist nur „adam gibi adam olsun“. Im übertragenen Sinne heißt das, dass er ein aufrichtiger Mann sein soll. Wie der passende Partner zu sein hat, das definiert jede Frau am besten für sich. Letztendlich ist alles „kader“ und „kɪsmet“ (Schicksal). Ich für meinen Teil möchte die Hoffnung nicht aufgeben und glaube weiterhin an die Liebe aus Disney-Filmen und kann sagen, dass ich damit glücklich bin.

Bilder: Walt Disney

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