Was für ein eingebranntes Bild, dass Türken immer nur Arabesque hören. Da renk. ja bekanntlich dafür steht Klischees aufzuheben dachte ich mir, dass das erste türkische Metal Battle Festival in Berlin genau das Richtige sei, um gegen diese Vorurteile anzukommen. Serkan Deniz und Erol Yıldız haben am Samstag das K17 zum Beben gebracht. Folgende Metal Bands gab es dort zu sehen:
Volkan T. (Black-Metal-Melodien auf Saz)
The Exile, Istanbul (Pure Black Metal)
Suicide, Ankara (Death Metal)
Darkestrah, Leipzig (Epic Shamanic Metal)
Whisky, Istanbul (Hard Rock)
Moribund Oblivion, Istanbul (Melodic Black Metal)
Neben den ganzen unkonventionellen Türken die dort abrockten, gab es erstaunlicher Weise auch ziemlich viele deutsche Metal Fans. Meine persönlichen Höhepunkte waren Mutter und Sohn die nebeneinander bis zum Ende durchgehend headbangten. Wirklich herzensgute Menschen diese Metaller. Fotografisch eingefangen wurde dies von Polga, welche extra aus Dortmund angereist ist, um sich das Spektakel anzuschauen. Wir freuen uns auf das nächste Mal.
Serkan, sag mal wie seid ihr auf die Idee gekommen ein Metal Festival zu starten?
Wir wurden inspiriert durch den Auftritt der türkischen Bands Cenotaph und RavenWoods, die im Dezember als Support von der deutschen Egypt Metal Band Maat im K17 aufgetreten waren. Die Bands zeigten viel Großzügigkeit und brachten einige Opfer um auftreten zu können. Als leidenschaftliche Metal Heads (ja, wir sind vergleichbar mit Beavis and Butthead) haben wir mit dem Mut der Ignoranz am nächsten Tag beschlossen, ein türkisches Metal Festival hier in Berlin zu organisieren. Im Grunde war es Erols Idee, der mir die Freundschaft gekündigt hätte, wenn ich nicht mitmachen würde … (lachen)
Wie kommt es, dass es jetzt erst das erste türkische Metal Festival ausserhalb der Türkei gibt?
Das liegt erstmals gewiss nicht an einer mangelnden Qualität türkischer Bands. Im Gegenteil – es gibt eine Menge Bands in der Türkei, die mit den europäischen oder amerikanischen Bands sehr gut mithalten können. Es liegt, denke ich, eher an Folgendem: Türkische Bands treten sehr wenig im Raum Zentraleuropa auf – bis auf Ausnahmen wie Moribund Oblivion oder Soul Sacrifice. Ansonsten wissen die wenigsten Türken in Deutschland über die Metal Szene in der Türkei Bescheid. Des Weiteren, muss ich sagen, dass das Potenzial noch nicht bekannt ist. Für Organisatoren ist es möglicherweise ein Risiko, denn man kann den Gewinn noch nicht einschätzen, da es viele Vorurteile gibt. Viele können sich gar nicht vorstellen, dass Metal in der Türkei gespielt wird und wie gut die Bands sind! Werden nicht-türkische Zuschauer kommen? Wie sehr sind Nicht-Türken offen dafür, sich türkischen Metal anzuhören? Wie viele Türken in Deutschland hören überhaupt Metal? Außerdem ist es eine finanzielle Sache. Oft müssen die Bands selbst finanziell viel für ihre Auftritte beitragen. So scheitert es am Geld sowohl der Bands als auch der Organisatoren. Zudem kommt der starke bürokratische Aufwand – die Formalitäten für die Visa der Bands zu erfüllen, ist manchmal ein Albtraum. Da ist man teils leider auch auf die Gnade der jeweiligen Beamten bei der deutschen Botschaft/Generalkonsulat in der Türkei angewiesen.
Warum macht ihr das ehrenamtlich?
Wir brauchten einen Kooperationspartner, um es überhaupt verwirklichen zu können. Joerg Schroeder (TRIPLE SIX CONCERTS und FOLTER RECORDS) ist ein sehr erfahrener Konzert-Veranstalter in der Metal-Szene und auch stolzer Besitzer eines kleinen Record Labels. Er übernimmt auch den größeren Teil der finanziellen Verantwortung. Wir dachten, wir werden keinen Eintritt verlangen können wie wenn wir Metallica holen würden. Insofern haben wir uns von dem Druck befreit, Geld machen zu müssen. Uns war es wichtig, diese teure Privat-Party zu verwirklichen! (lachen)
Uns geht es hauptsächlich darum, hier eine Pionierarbeit zu leisten. Man soll erfahren, dass Türken in der Türkei mehr können als nur Arabesk (was ich auch durchaus sehr gerne höre!) oder Gangster-Rap und Mainstream-Pop. Außerdem ist es uns, neben dieser Image-Arbeit für die Türken, wichtig, den Bands aus der Türkei eine Chance zu geben, sich zu beweisen, von sich hören zu lassen. Wir haben uns darauf verlassen, dass wir eine gute Kommunikations-Arbeit unter anderem mit Medien machen werden. Insofern können wir – ohne den Ruf des Profits – uns viel mehr auf unseren Fokus konzentrieren.
Woher kommt die Liebe zum Metal?
Ich persönlich fing mit 12-13 an, Doro Pesch, Warlock, Scorpions, Whitesnake, Bonfire und so zu hören. Aufmerksam wurde ich auf sie durch ihre Balladen, kaufte mir die Kassetten, weiss noch jemand, was das ist (lachen) … und gewöhnte mich so auch an die härteren Klänge. Mit der Zeit habe ich erfahren, dass es sogar extremere Klänge gibt wie Death Metal oder Black Metal. Mir gefiel, als wohl behüteter junger Mann, der ich war, das Rebellische daran und auch, dass es aneckte. Mittlerweile bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass Metal für mich eine authentische Musikform ist, die meine Gefühle am besten ausdrückt. Es hat ein Protest-Element, ein erhobenes Haupt und zeigt einen Mittelfinger gegen alles Verlogene und gegen alles, was Freiheiten einschränkt. Metaller behaupten ja von sich, dass sie sich für die Freiheit des Individuums einsetzen. Wie sehr das in Wirklichkeit stimmt, kann man diskutieren. Ich muss sagen, Metal ist mit seiner Intensität oft sehr nah an türkischer Musik – vor allem Melodic Black Metal, das mit seiner Melodramatik mich oft an viele türkischen Songs erinnert. Außerdem sind wir Metal Heads ja so stolz darauf, Mucke zu hören, die eben nicht jeder mag. Hat womöglich was vom Gefühl, etwas Besonderes sein zu wollen? Es ist zumindest ein Statement, ein Lebensgefühl, eine Attitüde.
Was ist das besondere an den Bands die kommen?
Alle Bands sind stark etablierte Bands in der Türkei. Beim ersten Mal wollten wir besonders etablierte Bands nehmen. Beim nächsten Mal kriegen auch Neulinge ihre Chance.
Moribund Oblivion ist die türkische Band mit den meisten Auslandsauftritten – eine der erfolgreichsten und beliebtesten Bands aus der Türkei. Wahrscheinlich sogar die erfolgreichste, die den Anspruch hat, die Flagge des türkischen Metals im Ausland führend zu tragen. Ihr aktuelles Album Manevi kam im Mai raus und erhielt weites gehend gute Kritiken im Ausland! Es ist mittlerweile eine Richtung zu erkennen, dass sie softere Töne einschlagen, aber einen eigenständigen Stil beibehalten bzw. immer mehr entwickeln.
The Exile (Pure Black Metal) ist ein Side-Project von dem Moribund Oblivion-Sänger Bahadir Uludaglar. Pure Black Metal ist eine rauere, extremere Form des Black Metal.
Whisky gibt es bereits seit mindestens 20 Jahren. Sie sind eher als Hard Rocker als Metaller zu bezeichnen, wenn man sich die weniger raue Musik hört, verglichen mit den anderen Bands, aber sie tragen das Lebensgefühl des Metals auch nach außen. Sehr sympathische Jungs in den 40/50-ern. Sehr beliebt unter den Rock-Fans. Es sind Legionäre des türkischen Rocks.
Suicide sind auch Veteranen des türkischen Death Metals. Sind bekannt für ihren technisch versierten Death Metal auf sehr hohem Niveau und singen auf Englisch.
Unsere Bands sind alle toll! Das Festival ist toll! Und wenn alle Berliner kommen, sind sie auch toll!
Was darf bei keinem Metal Festival fehlen?
BIER! Was sonst! (lachen) Und Metal Heads, die für tolle Stimmung sorgen und nicht einschlafen. Beliebte Klischees sind natürlich schwarze Kleidung, Nieten, Ketten, Leder-Jeans, Boots, Menschen mit vielen Tattoos und Piercings, Metal Head-Schwestern mit selbstbewusstem Gang, die ihrer Coolness bewusst sind und neben den hart wirkenden Kerlen mit dem weiblichen Element für Ausgleich sorgen. Aber, wie gesagt, wichtig ist das Publikum mit guter Laune. Jeder ist willkommen, der dabei sein möchte!
Credits
Interview: Melisa Karakus
Fotos: Polga