Für den Künstler Şakir Gökçebağ ist ein Regenschirm nicht einfach nur ein Regenschirm. Ein Keks nicht einfach nur ein Keks. Für den in Hamburg lebenden Künstler sind die schlichten Dinge des Alltäglichen Inspiration für aberwitzige Installationen und Fotografien. Mit Verve, Humor und einer Prise Ironie verleiht er banalen Gebrauchsgegenständen einen völlig neuen Sinn. Wir sprachen mit dem Wahl-Hamburger über künstlerische Interventionen und wie sich aus dem scheinbar Trivialen Inspirationen finden lassen.
Herr Gökçebağ, für Ihre Kunst benutzen Sie allerhand Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Durch Multiplikation und eine vollkommen zweckentfremdete Neuordnung dieser Dinge entsteht beim Betrachter ein gänzlich neues Bild. Die erste Begegnung mit Ihren Objekten und Fotografien lässt die eigentliche Funktion der verwendeten Gegenstände beinahe vollständig vergessen. Erst bei näherer Betrachtung erkennt man die Banalität und Vertrautheit der Gegenstände wieder. Ist dieser Überraschungseffekt absichtlich gewählt?
Nein, das ist nicht mein Ziel. Das entwickelt sich von ganz allein. Für meine Kunst kommt grundsätzlich jedes fertige Objekt in Frage. Meistens sind es Alltagsobjekte in meiner direkten Umgebung; Dinge, die jeder kennt. Ich achte nur darauf, dass ich keine unbekannten Gegenstände, sondern nur „universale Objekte“, wie ich sie nenne, verwende. Also Gegenstände, die im Zweifel auch ein Argentinier, Deutscher oder Japaner auf den ersten Blick erkennen kann. Nur, wenn es jedem möglich ist, meine künstlerische Intervention zu verstehen, bin ich zufrieden. Sonst würde dem Kunstwerk die konzeptionelle Seite fehlen.
Können Sie uns etwas von Ihrem Schaffensprozess erzählen? Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?
Ich tue nichts Besonderes, um inspiriert zu werden. Meistens reicht mir das, was ich in meiner Umgebung sehe. Ich bin der Überzeugung, dass Kunst nicht an einen Ort gebunden ist, sondern überall sein kann. Kunst ist uns oftmals näher, als wir denken.Manchmal kann man sie mit einem Schachspiel und seiner Ernsthaftigkeit vergleichen, manchmal mit dem Lachen eines spielenden Kindes. Mich reizt es, den Naturzustand der Dinge zu hinterfragen, denn ich glaube, dass die außergewöhnlichen Erscheinungsformen der gewöhnlichen Dinge die tägliche Monotonie erst erträglich machen. Daher interessieren mich die außergewöhnlichen Beziehungen zwischen den Objekten und ihren Räumen oder ein Zustand, der nicht zur Natur der Dinge passt.
Das heißt, Sie arbeiten rein konzeptionell?
Das Konzept ist sehr wichtig, aber es bedeutet nicht alles. Das Konzeptionelle muss zusätzlich durch das Ästhetische unterstützt werden.
Bei einigen Ihrer Arbeiten lässt sich erkennen, dass sie Fortsetzungen anderer Installationen sind. Woran liegt das?
Ich bin ein Künstler, der gerne seriell arbeitet. Experimentell zu arbeiten und immer neugierig zu bleiben, ist sehr wichtig für mich. Eine Idee löst eine andere aus. Vielleicht liegt es aber auch an meinem Perfektionismus, dass ich gerne mehrere Installationen mit den gleichen Objekten realisiere. Auch ein Maler kann mit Variationen arbeiten. Er kann ein Thema oder eine Form auswählen und sich ein Leben lang mit denselben Themen und Formen beschäftigen.
Für Ihre Fotografien arbeiten Sie mit organischen Materialien wie z.B. Wassermelonen oder Äpfeln. Welchen Unterschied macht es, mit organischen Objekten zu arbeiten?
Keinen großen. Auch Äpfel und Wassermelonen sind Teil unseres Alltags. Lediglich die Haltbarkeit ist ein Problem – was auch der Grund dafür ist, dass diese Arbeiten als Fotografien ausgestellt werden.
Womit arbeiten sie am liebsten?
Immer mit dem, womit ich aktuell arbeite. Ich kehre nicht gern zu den Dingen zurück, mit denen ich schon genug gearbeitet habe. Meistens arbeite ich mit mehreren Objekten gleichzeitig, aber es gibt immer wieder spezifische Objekte, auf die ich mich für drei bis fünf Monate oder länger konzentriere.
Mussten Sie sich schon mal anhören, dass Sie ja „nur“ mit Toilettenpapier arbeiten?
Meine Werke sind nicht elitär, auch der durchschnittlich kunstinteressierte kann meine Werke verstehen. Die Objekte, die ich benutze, sind schnell erkennbar und nicht außergewöhnlich. Verständlichkeit und Übersichtlichkeit sind mir wichtig. Manchmal besuchen tausende Menschen an einem Tag meine Webseite. Das Internet macht es einfacher, Feedback zu geben. Zum Glück ist es meistens sehr positiv. Die Menschen finden sich in meiner Kunst wieder. Sie sagen, dass sie diese alltäglichen Objekte mit anderen Augen und aus einem anderen Blickwinkel sehen. »Das kann ich auch!« ist deshalb eine typische Reaktion meiner Zuschauer. Wie bei Picasso oder Matisse. Aber genau das will ich erreichen.
Wie darf man sich Ihre Wohnung vorstellen? Minimalistisch aufgeräumt? Oder stapeln sich bei Ihnen Gegenstände zu Türmen?
Ich bin weder ein Minimalist noch ein Messi. Ich wohne in einer ganz normalen Wohnung. Zugegeben, meine Wände sind nicht ganz gewöhnlich. Manche Installationsproben mache ich zunächst Zuhause und erst danach im Atelier. Dass ich eine große Kollektion an Gegenständen hab, kann ich nicht leugnen. Aber zum Glück befinden sich die meisten von ihnen in meinem Atelier.
Credits
Text: Deniz Kiliç
Fotos: Şakir Gökçebağ