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Gesellschaft & Geschichten

Ashkenormativität

Mit dem Begriff Ashkenasim beschreiben sich Jüd*innen, die ihre Wurzeln in Mittel- und Osteuropa haben. Daraus resultiert Ashkenormativity, (dt. Ashkenormativität), also die Annahme, dass Jüd*innen mit weißer Hautfarbe die jüdische Identität alleine darstellen und die Norm seien.

Ashkenormatives Denken lässt die Erfahrungen und das Erbe einer nicht-europäischen, jüdischen Vielfalt, insbesondere von Mizrachim, Sephardim, Temanim und schwarzen Juden aus und hält sie für irrelevant für die jüdische Kultur und Geschichte.

Ashkenormative Internalisierungen sind zb. Ashkenormative jüdische Kleidung, Anpassung oder wenn z.B. ein Kantor, der selbst eigentlich Mizrachi ist, Gebetslieder aschkenasisch ausspricht mit der Begründung „Ich weiß nicht, so habe ich es gelernt.“

Über 90% der Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland haben einen postsowjetischen Hintergrund, zählen also zu aschkenasischen Jüd:innen. Ashkenasische Dominanz wird vor allem dann problematisch, wenn diese grundlegend als jüdische Identität und Kultur begriffen wird. 

Aber warum ist das überhaupt relevant? Wir sind doch schließlich alle Jüd*innen.

Genau darum geht es. Wir bilden heute gemeinsam die jüdische Minderheit in Deutschland. Doch die Diversität innerhalb dieser Minderheit wird in den meisten jüdischen Gemeinden selten zelebriert, gar thematisiert. In Deutschland wird kaum über jüdische Diversität und Marginalisierung von Nicht-Ashkenasen gesprochen.

Sephardim/Mizrachim in der Shoa

Unter den Holocaust-Opfern waren über 700 Menschen mit dem Nachnamen Mizrachi, es gibt allerdings kaum Gedenken dieser Opfer. In Casablanca wurden Jüd*innen während der Shoa im Auftrag der Deutschen verfolgt und verschleppt. Mizrachim und Sephardim waren zwar vergleichsweise ein Bruchteil aller Opfer der Shoa, nichtsdestotrotz assoziieren Nicht-Jüd*innen oder ashkenasische Jüd*innen Sephardim/Mizrachim häufig direkt mit der Shoa, alleine deshalb, weil sie Jüd*innen sind. Auch das ist eine Form von Ashkenormativität.

Auch in den USA ist Ashkenormativität laut vielen Berichten ein absoluter Normalzustand. In „Learning to undo Ashkenormativity“ schreibt Autor Katz , dass viele in den USA denken, ashkenasische Praxis sei die „echte jüdische Errungenschaft“. Katz plädiert, sich mizrachi/sephardischer Praxis auszusetzen, sich dezidiert über sie zu informieren und über sie zu lernen. Man sollte sie anerkennen, respektieren und als normativen Teil des Jüdisch-Seins sehen.

In Israel machen Sephardim und Mizrachim mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Neben dem Bibelunterricht an der Schule, werden auch die Themenkomplexe israelische Geschichte, Zionismus, Shoa und die Geschichteder Jüd*innen in Europa behandelt. Wie Mizrachim in der arabischen Diaspora lebten, welche Kultur, welche Sprachen und Traditionen zu ihren jüdischen Identitäten gehörten, wird in der Schule allerdings nicht behandelt.

Der Begriff Ashkenormativität bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Askenasische POC erleben Diskriminierung und Rassismus und Mizrachim/Sephardim mit hellerer Hautfarbe genießen viele Privilegien, die weiße Menschen haben. Daher ist eine differenzierte Verwendung des Begriffs Ashkenormativity unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten stets notwendig. 

Um Mizrachi-Erbe, Erfahrungen und Geschichten mehr öffentliche Beachtung zu schenken, haben jüdische Geflüchtete aus Nordafrika die Organisation JIMENA gegründet, die mit ihren Veranstaltungen eine wichtige Stimme darstellt.

Dagegen stellt z.B. die „Rosa-Luxemburg-Stiftung“ Mizrachim als die jüdische Version der „in westlichen Händen unterdrückten Opfer des Orients“ dar. Diese eurozentrischen Inszenierungen einer Anerkennung der Mizrachim als ein Bestandteil des Judentums sind lediglich da, um eine antisemitische Funktion zu erfüllen.

Wir sollten dazu stehen, Teil eines ethnisch diversen Judentums, einer reichen, wunderschönen Diversität zu sein.

Echter jüdischer Zusammenhalt bedeutet gegenseitige Anerkennung, Akzeptanz und Würdigung; er bedeutet Liebe. Ob mit Scharf oder ohne, mit Geige oder Oud, auf Hebräisch oder auf Russisch, Yiddish oder Ladino, ob aus Mizrach oder Ashkenas, dem Shtet‘l oder der Ma‘abara. Das sind keine Gegensätze, und wir auch nicht. Auch außerhalb von Israel – muss es Platz für alle geben.

 

Text: Or Mizrachi

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